Sally Bein - mehr als nur ein Name

Die Sommerferien haben sich dem Ende geneigt. Noch waren keine Schülerinnen und Schüler auf dem Gelände des Sally-Bein-Gymnasiums. Nur Lehrer, die zusammenkamen, um sich auf das kommende Schuljahr vorzubereiten. Da erreicht eine Anfrage der Gesellschaft für Christlich -Jüdische Zusammenarbeit in Potsdam e.V. den Fachbereich Geschichte. Man habe von der Sally-Bein-Ausstellung gehört und wolle wissen, ob eine Besichtigung möglich sei. Die Fachlehrer für Geschichte zögerten nicht lange und sagten zu. Schnell war ein Termin gefunden: der 05.09.2018, der Tag des 21jährigen Namensjubiläums unserer Schule.  
Am Nachmittag trafen zehn Besucherinnen und Besucher ein, die von Frau Letz  (Fachschaftsvorsitzende für Geschichte) herzlich vor Haus 2, dem ursprünglichen Gebäude des ehemaligen – von Sally Bein geleiteten – Kinder- und Jugendheims, begrüßt wurden. In einem ersten Gespräch erfuhren sie Verschiedenes über Sally Bein als Direktor des Heims für jüdische Kinder und Jugendliche mit geistigen und körperlichen Behinderungen, seinem Abtransport in das Vernichtungslager Sobibor und seiner Tochter Frederike, die dem Naziregime entkam und im hohen Alter in Australien verstarb. Kurz warf man einen Blick ins Haus 2, um einen flüchtigen Eindruck der Lebenswelt der damaligen Bewohner zu erlangen. Anschließend besichtigten die Besucherinnen und Besucher die Sally-Bein-Ausstellung in Haus 1, die auf ein Projekt des Sally-Bein-Gymnasiums, des Helmholtz-Gymnasiums (Potsdam) und dem Jugendklub „lifroach“ der Jüdischen Gemeinde Potsdam zurückgeht. Ergänzt wurde diese Ausstellung durch zwei Filme. Abgeschlossen wurde der Nachmittag mit einer Diskussion über die Erinnerungskultur.  In diesem Zusammenhang wurde auch die Frage nach Verantwortung aufgeworfen, die Verantwortung der Gesellschaft und insbesondere die Verantwortung, die wir als Schule tragen. Die Kolleginnen der Fachbereiche Geschichte und Politik waren sich schnell einig, dass es eines der wichtigsten Ziele der Schule ist, die Schülerinnen und Schüler bei ihrer Entwicklung zu mündigen und kritisch denkenden Bürgerinnen und Bürgern zu unterstützen. Längst sind die Zeiten vorbei, in denen es im Geschichtsunterricht um bloße Faktenvermittlung ging und auch die „Holzhammermethode“, bei der den Schülerinnen und Schülern klar vorgeschrieben wird, was sie zu denken und welche Werte sie zu vertreten haben, ist längst überholt. Die Reflexion von Geschichte und ihre Bedeutung für die Gegenwart ist ein zentraler Punkt des heutigen gesellschaftswissenschaftlichen Unterrichts. Wie wichtig dabei Emotionen sind, machte eine 94-jährige Frau unter den Besucherinnen und Besuchern besonders deutlich. Sie selbst war 14 Jahre alt, als sie mit ihrem Vater nur ein paar Tage vor der Pogromnacht  bei einem jüdischen Händler einkaufen ging. Fast schon entschuldigend erzählte sie, dass ihre Familie damals nur wenig Geld zur Verfügung hatte und deshalb in dieses jüdische Geschäft ging, um sich einen Mantel zu kaufen. Beim Verlassen des Geschäftes, den Mantel unter dem Arm, riefen ihnen Polizisten hinterher, beschimpften sie als Schweine und Verräter und drohten ihnen. Eine Erfahrung für ein 14-jähriges Mädchen, die ein ganzes Leben prägen sollten, wie die Tränen in ihren Augen beim Erzählen dieser Geschichte bewiesen.     
Unsere Schule hat sich vor 21 Jahren bewusst für den Namen Sally Bein entschieden, bewusst für die Verantwortung, die dieser Name mit sich bringt: gegen das Vergessen ankämpfen, insbesondere in Zeiten wiederaufkeimenden Rechtsextremismus Farbe zu bekennen. Diese Verantwortung nehmen wir ernst und freuen uns auf einen weiteren konstruktiven Austausch mit der Gesellschaft für Christlich -Jüdische Zusammenarbeit in Potsdam e.V.

C. Riehn.

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Veröffentlichung

Fr, 07. September 2018

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